Beim Thema Employer Branding denken viele zuerst ans Recruiting. Kein Wunder, schließlich hat der Fachkräftemangel gerade ein Allzeithoch und ein gutes Image als Arbeitgeber sollte doch helfen, sich im War for Talents durchzusetzen. Allerdings ist die Gewinnung von Talenten nur die eine Seite der Medaille. Mitarbeiterbindung ist die andere. Was genau das bedeutet, worauf es beim Thema Mitarbeiterbindung ankommt und ob es überhaupt sinnvoll ist, Arbeitnehmer:innen langfristig zu binden, darüber hat unser CEO Volker Schmidt mit Caroline Wienholt, Dipl. Psych., Business Coach für Transformationsprozesse, Führungskräfte- und Teamentwicklung, Coaching & Development, im Vorfeld unseres Think Tanks „Employer Branding“ gesprochen:
Akima: Caroline, Du bist Psychologin und Business Coach – war das schon immer Dein Traumjob?
Caroline Wienholt: Nein, als Kind wollte ich immer Ärztin werden.
Naja, Psychologin ist ja nicht so weit entfernt. Aber wenn Du das nicht geworden wärst, wo würden wir Dich heute sehen?
Oh, das ist eine schwierige Frage! Ich entwickle mich selbst sehr gerne. Mein Gefühl: Aus der Summe meiner beruflichen Entwicklungen und Erfahrungen kann ich meine Kompetenzen gebündelt einsetzen und tue genau das, was ich wirklich möchte. Das gibt mir manchmal mehr Energie als ich investiere.
Wow, klingt spannend und kann sicher nicht jeder von sich bzw. seinem Beruf behaupten. Was fasziniert Dich besonders an Deinem Job?
Die Einzigartigkeit von Menschen und Systemen. Oft gibt es scheinbar dieselben Probleme in der Führung oder in den Teams oder thematisch die immer gleichen Workshops. Da könnte es doch langweilig werden. Man könnte denken, dass die Lösungswege und das methodische Vorgehen auch immer dieselben wären. Weit gefehlt, denn Lösungen kommen immer von „innen“. Ob es um die Entwicklung einer Führungspersönlichkeit oder eines Teams geht, oder um ein Optimierungs- oder Transformationsprozess – bei allem ist entscheidend, mit dem Vorhandenen zu arbeiten, miteinander ein „Growth Mindset“ zu entwickeln und problembezogene Fragen zu stellen. Am Ende führt es stets zu Prozessen, in denen die Problemlösung als Idee von der gecoachten Person beziehungsweise aus dem Team oder von den Geschäftsführer:innen entwickelt wird.
Hört sich sehr abwechslungsreich an. Gibt es trotzdem einen typischen Satz aus Deinem Berufsalltag?
„Veränderungen erfordern die Akzeptanz von Widerstand.“ Was heißt das? Jeder Entwicklungsschritt bringt Veränderung – in der persönlichen wie auch auf der transformationalen Ebene. Das erfordert vor allem mal Mut. Gleichzeitig braucht es auch ein Verständnis der Systematik von Veränderungsprozessen. Also nicht zuletzt, die Kenntnis, dass jede Form der Veränderung im ersten Moment Widerstand hervorruft. Und diesen Widerstand müssen wir anerkennen. Genauso, wie den Abschied vom Alten, um zum Neuen zu gelangen.
Ich zitiere auch gerne einen japanischen Spruch, wenn die ersten Schwierigkeiten auftauchen und die „Bedenkenträger“ lauter werden: „Auch durch ein Nadelöhr kann man den Himmel sehen!“
Apropos Veränderung, Du sprichst in Deinem Vortrag von Mitarbeiterbindung unter „veränderten Vorzeichen“. Ohne zu viel von Deinem Vortrag vorwegzunehmen, was hat sich denn geändert?
Die Geschwindigkeit der Veränderungen hat massiv zugenommen. Aber auch der Wandel vom Arbeitsmarkt zum Arbeitermarkt. Heute gibt zu viele offene Stellen, die Arbeitszeit nimmt seit Jahren ab, hochqualifizierte Mitarbeiter:innen sind wechselwillig, Home-Office-Strukturen haben sich etabliert und führen zu einer hybriden Führungskultur, die vielfach noch nicht gelebt wird. Die Sicherheit und Bindung der Mitarbeiter:innen zueinander, an ihre Führungskraft und an das Unternehmen können dadurch verloren gehen. Auf der anderen Seite ist die Arbeitswelt immer „technischer“ geworden. Daher braucht es Führung, die das Menschliche in den Vordergrund stellt und Beziehungen untereinander fördert.
Du erwähnst wechselwillige Mitarbeiter:innen. Aktuell geistert ja der Begriff „great Resignation“ durch die Medien – also genau diese zunehmende Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer:innen. Ist das nur ein weiteres Buzzword oder doch eher ein Trend, den wir ernst nehmen sollten?
Der Begriff ist gar nicht so neu – schon letztes Jahr wurde viel darüber berichtet. Aufgrund der Erfahrungen während der Coronakrise haben viele Berufstätige angefangen, ihren Job zu hinterfragen. Nicht zuletzt, weil das Home Office plötzlich mehr Selbstbestimmung über die Arbeitszeiten ermöglichte. Das betrifft nicht nur, aber vor allem die Generation Z, der es wichtig ist, die Kontrolle über Privat- und Arbeitsleben zu haben.
Kurzum: Ich kann nur jedem raten, den Trend ernst zu nehmen. Insbesondere, da daraus ein weiteres „Symptom“ entstanden ist: Der „Great Flirt“, den ich sehr schädigend für Unternehmen im Rekrutierungsprozess erlebe.
Beim Stichwort Gen Z bin ich jetzt hellhörig geworden – welche Rolle spielt heute das Thema Generationenkonflikt?
Wir haben oft unterschiedliche Generationen in einem Team, die sich entsprechend in unterschiedlichen Lebensphasen befinden. Daher sind auch die Beweggründe und Motivationen, im Unternehmen zu bleiben, oft sehr unterschiedlich. Die Vorstellung, Mitarbeiter:innen in unterschiedlichem Alter, gleich zu behandeln, ist folglich seltsam. Vielmehr ist Flexibilität gefragt. Wir brauchen Führungskräfte, die weniger managen und mehr führen.
Ok, verstehe. Aber was heißt das? Oder anders formuliert: Wenn Du in einem Satz runterbrechen müsstest, was eine gute Führungskraft ausmacht, wie würde der Satz lauten?
Es gibt eine allgemein bekannte Formel: Leistung= Können x Wollen x Dürfen.
Das Wichtigste zuerst: Eine gute Führungskraft trägt grundsätzlich eine große Zuneigung für Menschen in sich. Zweitens: Sie kennt ihre die Mitarbeiter:innen in ihren Kompetenzen, unterschiedlichen Werten und Motiven . Dann, drittens, gibt sie einen Rahmen für selbstverantwortliches Handeln vor und enabled die Mitarbeiter:innen entsprechend . Und schließlich, viertens steuert sie die Kommunikation und unterstützt die Mitarbeiter bei Konflikten und Problemlösungen wann immer notwendig.
Ok, aber mal unabhängig von „Führung“ und „great Resignation“ gehört es heute ja fast schon zum guten Ton, alle 2-3 Jahre den Job zu wechseln. Wie kann ich es als Arbeitgeber dennoch schaffen, Mitarbeiter:innen langfristig zu binden? Und ist das überhaupt sinnvoll?
Lass es mich so sagen: Jeder Mensch hat drei Grundbedürfnisse, die in unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen kommen: Machtstreben, Entwicklung und Bindung
Das sollte man sich als Führungskraft stets bewusst machen und vor allem verstehen, was es bedeutet. Machtstreben heißt, dass grundsätzlich jeder Mensch erfolgreich sein möchte. Mehr noch, der Mensch will erleben, dass er selbst wirksam zum Erfolg geführt hat. Entwicklung bedeutet, dass jeder Mensch sich weiterentwickeln möchte. Und Bindung meint, dass jeder Mensch Bindung in unterschiedlichem Ausmaß sucht. Wobei Bindung immer emotional geschieht. Auf Mitarbeiterbindung bezogen heiß das, dass es um positive, wertschätzende Führung geht, die Stärkung der Selbstwirksamkeit, das Erzeugen eines Wir-Gefühls, sowie der Möglichkeit der individuellen Weiterbildung. Und klar, am Ende geht es auch um ein angemessenes, gutes Gehalt.
Ist es immer sinnvoll Mitarbeiter:innen langfristig zu binden? So pauschal nicht ganz einfach zu beantworten, aber wenn man weiß, dass man die Bedürfnisse eines Mitarbeitenden langfristig nicht erfüllen kann, macht es auch keinen Sinn, diesen zu halten. Das würde unweigerlich zum „Bore-out“ führen. Und davon hat sicherlich niemand gewonnen.
Noch mal ein etwas anderes Thema: Du berätst Unternehmer und Führungskräfte – was war der beste Rat, den Du selber je bekommen hast?
Das war in einer sehr kniffligen Situation, die ein Kunde damals mit mir bearbeiten wollte. Der Auftrag war noch nicht unterschrieben. Und wie immer, wenn ich mich stark konzentriere, hatte ich ein sehr ernstes Gesicht. Der Kunde meinte dann: „Vorhin, als Sie gelächelt haben, da wollte ich sofort mit Ihnen zusammenarbeiten, jetzt finde ich Sie sehr distanziert. Wenn Sie mir versprechen mehr zu lächeln, dann unterschreibe ich sofort.“
Seitdem versuche ich darauf zu achten, mehr zu lächeln. Das tut nicht nur den Kunden gut.
Letzte Frage: Wir führen das Gespräch ja im Vorfeld unseres Think Tanks „Employer Branding“, bei dem Du als Sprecherin auftreten wirst. Worauf dürfen sich denn die Teilnehmer:innen in Deinem Vortrag freuen?
Wir werden gemeinsam einen „magnetischen Teppich zur Mitarbeiterbindung erstellen“, der im Ergebnis zu ersten zu Handlungsoptionen führen kann. Und im Anschluss werden wir sicher noch Zeit für eine anregende Diskussion haben. Sie wissen ja: Die Lösung kommt immer von innen.