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Der Fachkräftemangel ist weit mehr als nur ein Buzzword – er ist mittlerweile allgegenwärtig und erreichte unlängst ein neues Allzeithoch. Den Mitarbeiter:innen einen Obstkorb und hybride Arbeitsmodelle anzubieten ist sicher nicht verkehrt, aber auch bei Weitem nicht genug. Wer sich im weiter zuspitzenden War for Talents durchsetzen möchte, muss zur Arbeitgebermarke werden. Aber was bedeutet das? Welche Rolle spielt das Thema New Work dabei? Welche weiteren Trends gibt es auf dem Arbeitsmarkt und warum ist Authentizität so wichtig beim Employer Branding ist? Darüber hat sich unser CEO, Volker Schmidt mit der Wirtschaftspsychologin und Unternehmensberaterin, Dr. Julia Ewerdwalbesloh im Vorfeld unseres Think Tanks „Employer Branding“ unterhalten:

Porträt von Julia Ewerdwalbesloh

Julia Ewerdwalbesloh, Passionate Psychologist

Akima: Julia, Du hast schon eine ganze Reihe verschiedene Tätigkeiten ausgeübt, Hochschulmarketing, HR-Consultant, Lehrbeauftragte, Wirtschaftspsychologin, Unternehmensberaterin. Was davon macht am meisten Spaß?

Julia Ewerdwalbesloh: Das sind ja alles psychologische Tätigkeiten – deshalb macht mir tatsächlich die Psychologie am meisten Spaß. Wobei die Wissensvermittlung definitiv der Bereich ist, der mein Herz aufgehen lässt.

Das kann ich gut verstehen. Du bist neben vereinzelten Lehraufträgen vor allem Psychologin und Businesscoach. War das schon immer Dein Traumberuf?

Um es kurz zu sagen, ja. Ich kann mir auch ehrlich gesagt sehr wenig andere Jobs vorstellen.

Was genau fasziniert Dich denn so daran?

Die Arbeit mit Menschen und die damit verbundene Vielfalt sind schon sehr reizvoll. Schließlich ist jeder Mensch anders. Und auch jedes Unternehmen ist anders – sogar innerhalb der Firmen sind die unterschiedlichen Abteilungen und Teams nochmal leicht anders. Es gibt einfach eine unglaubliche Abwechslung. Aber auch über die Menschen hinaus bietet mir der Beruf eine Vielfalt an Themen, Anwendungsbezügen und Möglichkeiten, Impulse zu setzen. Und das macht einfach riesig Spaß.

Auch das kann ich nur zu gut nachvollziehen. Aber bei all der Abwechslung, gibt es vielleicht auch einen typischen Satz in Deinem Job?

Nicht wirklich – aber ein Satz, der häufiger fällt, lautet: „Es ist alles eine Frage der Perspektive.“ Oder anders formuliert: „Alles hat Vor- und Nachteile.“

Stichwort „Vor- und Nachteile“ und weil ich mich so langsam dem Thema Employer Branding nähern möchte: Gefühlt zumindest wird aktuell sehr viel von New Work geredet. Und damit sind vor allem flexiblere Arbeitsmodelle, Hybrid und Remote Work sowie Workation gemeint. Also viele „Vorteile“ für Arbeitnehmer:innen und mindestens Herausforderungen für Arbeitgeber:innen. Daher meine Frage: Müssen wir Unternehmer uns aufgrund des Fachkräftemangels jetzt auf alle Forderungen der Arbeitnehmer:innen einlassen, um überhaupt noch Chancen im War for Talents zu haben?

New Work ist ja ein weites Feld. Und auch wenn es tatsächlich manchmal so dargestellt wird, als würde sich alles nur um die Flexibilisierung des Arbeitsortes und tolle neue Bürokonzepte drehen, geht es in Wahrheit um weit mehr. Zum Beispiel geht es auch darum, Verantwortung stärker zu verteilen, Mitarbeitenden im Zweifel mehr zuzutrauen, weniger hierarchisch zu führen, bis hin zu dem Ansatz, Führung an sich zu hinterfragen. Das alles ist New Work. Aber um auf Deine Frage zurückzukommen: Nein, natürlich muss nicht jede Firma alles mitmachen. Ein kleines Unternehmen kann meist den administrativen Aufwand gar nicht abbilden, der nötig wäre, um beispielsweise Remote-Arbeit von überall auf der Welt anzubieten. Und neben administrativen Hürden, gibt es in der Regel noch steuerliche und nicht zuletzt auch juristische Aspekte und Bedenken, die man nicht außer Acht lassen kann.

Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Solche Regelungen und Benefits müssen immer für alle Angestellten gleichermaßen gelten. Nur haben Mitarbeiter:innen unterschiedliche Motive, Wünsche und Bedürfnisse. Aber auch dafür gibt es elegante Lösungen. Ich denke da beispielsweise an Anbieter, die Firmenmitgliedschaften für ein umfangreiches Netzwerk an Sport- und Freizeiteinrichtungen bieten. Daraus können Mitarbeitende sich dann selbst das Passende aussuchen – von Yogakursen über Fitness-Studios bis hin zu Schwimmbädern ist alles dabei. Das heißt, es ist das gleiche Angebot für alle und trotzdem individualisiert. Und Individualisierung ist tatsächlich ein Trend oder eine Erwartung, die Arbeitnehmer:innen heute zunehmend haben.

Jetzt hast du den Begriff „Trend“ in den Mund genommen. Ist New Work ein Trend, der irgendwann vorübergeht, oder sollten wir uns tunlichst darauf einstellen und gucken, was davon für unser Unternehmen Sinn macht?

Nein, ich glaube nicht, dass das einfach vorübergeht. Um das klar zu sagen: New Work ist mehr als ein Trend. Es ist vielmehr eine gesellschaftliche Entwicklung aufgrund des sehr hohen Ausbildungsniveaus, das wir mittlerweile erreicht haben.

Bleiben wir beim Thema Trends: Abgesehen von New Work, siehst Du weitere wichtige Entwicklungen am Arbeitsmarkt?

Da gibt es einige wie beispielsweise – gerade befeuert durch die neue Regulatorik in den USA – das Thema Gehaltstransparenz. Ich sehe zudem einen Trend zu radikaleren Modellen der Flexibilisierung von Arbeitszeitmodellen. Also statt den klassischen 40 Stunden Regelarbeitszeit, nur 35, 32 oder gar 30 Stunden pro Woche.

Spannend – aber um noch mal Deinen Satz von vorhin aufzugreifen: Alles hat seine Vor- und Nachteile: Welche Rolle spielen Themen wie New Work beim Employer Branding?

So ganz kann man sich dem Thema sicher nicht entziehen – denn wie gesagt, es ist mehr als ein Trend. Aber das Schöne am Employer Branding ist ja gerade, dass es sich im besten Fall um eine Win-Win-Situation handelt. Zumindest, wenn man authentisch kommuniziert und die Arbeitgebermarke so darstellt, dass es ein realistisches Bild ergibt. Es geht also darum, klar zu sagen, was Kandidat:innen beim Arbeitgeber erwarten können. Damit werden am Ende Zeit, Geld und Nerven auf beiden Seiten gespart, weil vermieden wird, dass sich die falschen Personen bei den falschen Unternehmen bewerben. Stattdessen wird von vornherein der Fit maximiert.

Macht Sinn. Bringt mich zu der Frage, wie gut Du die Unternehmen in Deutschland in Sachen Employer Branding aufgestellt siehst?

Gar nicht so schlecht, würde ich behaupten. Gerade im IT-Bereich ist der Fachkräftemangel ja schon länger ein heißes Thema. Ich würde sagen, da hat es gefühlt vor 15 Jahren angefangen und dementsprechend haben einige auch bereits sehr gute Arbeit in dem Bereich geleistet. Gleichzeitig – und das ist jetzt meine subjektive Einschätzung – sind Informatiker ein sehr anspruchsvolles Publikum. Das heißt, sie reagieren sehr empfindlich auf reine Marketingbotschaften. Daher ist es umso wichtiger, noch authentischer in der Kommunikation zu sein.

Ich bin auf jeden Fall bei Dir, wenn es um die Apples, Googles und Facebooks dieser Welt geht. Aber kleine, unbekannte Unternehmen – und da gibt es genug in Deutschland gerade im Mittelstand – haben ja in der Regel deutlich weniger Ressourcen. Was kann ich denn als ein solches kleines eher unbekanntes Unternehmen tun, um an Talente zu kommen?

Ich finde, man darf sich immer bei den Großen Inspiration holen. Denn das, was diese Unternehmen richtig machen und was ich als kleinerer Betrieb umsetzen kann, das sollte ich auch tun. Warum auch nicht? Aber es ist natürlich eine Frage des Budgets. Wie Du schon sagst, kleines Unternehmen heißt ja in der Regel auch kleineres Budget. Das erfordert auch Kreativität und ein gewisses Maß an Pragmatismus.

Ich habe ja vorhin betont, wie wichtig Authentizität ist. Im Umkehrschluss ist der Aufbau einer Arbeitgebermarke und damit verbunden das Gewinnen von Talenten immer individuell. Aber ich möchte dennoch versuchen, Deine Frage nach einem Ratschlag zu beantworten. Also, was sich eigentlich immer bewährt hat, ist, die eigenen Mitarbeiter:innen zu Markenbotschafter:innen zu machen. Beispielsweise über ein „Mitarbeiter:innen werben Mitarbeiter:innen“-Programm. Eine andere kostengünstige Möglichkeit sind Videos zu drehen, die authentisch Mitarbeiter:innen zu Wort kommen lassen. Die können entweder vom Berufsalltag oder von ihrer persönlichen Entwicklung in der Firma erzählen. Das zeigt zum einen, das Unternehmen fördert Mitarbeiter:innen, unterstützt die Entwicklung, zeigt aber natürlich auch, welche Berufsprofile, es gibt. Und nicht zuletzt bekommen Talente auch sofort einen Eindruck, mit wem sie es nach erfolgreicher Bewerbung zu tun haben würden. Das ist ja auch nicht ganz unwichtig.

Woran fehlt es Deiner Meinung nach aktuell noch in den Unternehmen in Deutschland in Sachen Employer Branding?

Es fehlt immer weniger. Allerdings wird das Thema oft unterschätzt – hier meine ich vor allem, dass es wichtig ist, möglichst frühzeitig an Employer Branding zu denken. Ich erinnere hier an einen alten Spruch aus dem Change-Management: „Die Leute springen erst von der Ölplattform, wenn sie brennt.“ Das Problem ist, wenn es beim Thema Employer Branding brennt, ist es eigentlich schon zu spät. Denn wenn wir so lange warten, bis Mitarbeiter:innen vielleicht Rollen übererfüllen müssen, weil viele Stellen zu lange unbesetzt bleiben und dann völlig überfordert sind, leidet nicht nur die Unternehmenskultur, sondern beginnt möglicherweise sogar ein Teufelskreis. Daher sollte lieber vorher in die Brand investiert werden, bevor man den viel größeren Aufwand betreiben muss und versucht eine negative Entwicklung zurückzudrehen.

Das wäre ein Worst-Case-Szenario. Gibt es denn auch Best Practices? Also irgendein Leuchtturmunternehmen?

Klar. Eine Kampagne, die ich beispielsweise ganz hervorragend finde, stammt von der Firma Zeiss. Klar, das ist ein wieder ein bekanntes Unternehmen. Aber eines, dass ich als Arbeitgebermarke nicht unbedingt auf dem Schirm hatte. Jedenfalls hat Zeiss in einer tollen Kampagne die eigenen Mitarbeitenden in kurzen Video-Interviews zu Wort kommen lassen. Darin wurden technische Themen in spannende, inhaltlich interessant Botschaften übersetzt und vor allem authentisch präsentiert.

…da höre ich schon wieder den Begriff Authentizität…

…ja, weil er auch ganz zentral ist. Damit ich aber authentisch kommunizieren kann, muss ich erst mal herausarbeiten, was ich Kandidat:innen biete. Und dafür wiederum müssen zunächst mal die Unternehmenswerte definiert werden. Das ist im Übrigen auch wichtig, um meine Mitarbeiter:innen als Markenbotschafter zu befähigen. Denn nur wenn man hier Klarheit schafft, sind die Mitarbeitenden sprechfähig. Sowohl auf Social Media als auch in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis.

Ok, aber bevor wir jetzt zu viel vorwegnehmen, worauf dürfen sich die Teilnehmer:innen bei unserem Think Tank Employer Branding in Deinem Vortrag freuen?

Ich werde die Dos and Don‘ts in der Entwicklung einer Employer Value Proposition aufzeigen und natürlich auch die Fallstricke, die es zu vermeiden gilt und warum.

Super. Danke für das Gespräch. Ich freue mich schon sehr darauf, mehr darüber zu erfahren.

Akima Think Tank Employer Branding am 04. November 2022 in München

Volker Schmidt

Author Volker Schmidt

CEO von Akima Media. Leidenschaftlicher Fußballspieler, Kaffeeliebhaber und Hobbykoch. Hält es gerne mit den Worten von Richard Branson: "Take care of your employees and they will take care of your customers."

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