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Als ich mich vor vielen, vielen Jahren um den Einstieg in die Agenturbranche bemühte, musste ich unzählige Gespräche führen. Das lag zum einen daran, dass ich mich damals nicht besonders gut zu verkaufen wusste. Aber auch die Finanzkrise war nicht gerade hilfreich, so dass freie Jobs Mangelware waren. Vor allem aber, war die Agenturbranche sehr angesagt – gefühlt wollten alle „irgendetwas mit Medien“ machen und entsprechend viele Bewerbungen gab es auf die wenigen offenen Stellen. Mittlerweile hat sich vieles verändert: So fehlten laut dem Verband der führenden Kommunikationsagenturen Deutschlands (GWA) im letzten Jahr allein den GWA-Agenturen mehr als 2.000 Beschäftigte. Insgesamt über alle Agenturen und Unternehmen hinweg waren 2022 sogar über 10.000 Stellen in der Kommunikationsbranche in Deutschland unbesetzt. Hinzu kommt noch ein weiterer Trend: die „Great Resignation“, also die Wechselbereitschaft der Belegschaft, die ebenso wie der Fachkräftemangel aktuell ein Allzeithoch erlebt. Aber woher kommen der plötzliche Mangel und die hohe Fluktuation in den Agenturen? Warum gerade jetzt? Sind wir Agenturen wirklich so schlechte Arbeitgeber? Und was können wir dagegen tun?

Die Lage ist ernst

In Agenturen und Unternehmen waren 2022 in Deutschland über 10.000 Stellen in der Kommunikationsbranche unbesetzt.

Naja, so ganz neu sind die Themen ja nicht. Der Schein war zuletzt nur etwas trügerisch. Tatsächlich aber herrschte bereits vor Corona Fachkräftemangel. Dass uns das Pendel nun etwas „überraschend“ und vor allem mit voller Wucht trifft, liegt unter anderem daran, dass viele Agenturen und Unternehmen in Zeiten der Pandemie erst einmal Einstellungsstopps verhängt und dann, als die Wirtschaft sich erholt hatte, alle gleichzeitig die Talentsuche wieder aufgenommen haben.

Weniger überraschend dagegen sollte der (Haupt-)Grund für die fehlenden Talente sein: Die Babyboomer-Generation scheidet nach und nach aus dem Arbeitsleben aus, was bis 2025 dazu führt, dass am deutschen Arbeitsmarkt insgesamt 2,9 Millionen Fachkräfte wegbrechen werden. Schlimmer noch: Bis 2031 soll sich die Lücke mit dann 3,6 Millionen fehlender Mitarbeiter:innen weiter vergrößern.

Gleichzeitig sehen Agenturen den Nachwuchs- und Fachkräftemangel als das größte Wachstumshemmnis. Meines Erachtens steht aber nicht „nur“ das Wachstum auf dem Spiel – in Kombination mit der deutlich gestiegenen Wechselbereitschaft droht Agenturen (und Unternehmen) ein regelrechtes Ausbluten der Belegschaft. Spätestens damit ist dann auch die Existenz bedroht.

Houston, wir haben ein (Kommunikations-)Problem
Jung mit Megafon und ZEitungin der Hand

Die Agenturbranche hat ein Kommunikationsproblem. Künftig sollte es ihr gelingen, als Vorreiter in Sachen New Work wahrgenommen zu werden.

Es wäre aber zu einfach, alles nur auf äußere Faktoren zurückzuführen. Zumindest, was die Kommunikationsbranche betrifft, sind die Probleme teilweise hausgemacht. So ist ein Grund für fehlendes Personal bei uns das negative Image der Agenturen: Niedrige Gehälter, unbezahlte Überstunden und lange Arbeitszeiten sind nur ein paar der sich immer noch hartnäckig haltenden Klischees. Das hat eine Studie der Hochschule Ostfalia ergeben. Hier hat die Branche definitiv ein Kommunikationsproblem. Denn insbesondere die Agenturen waren und sind häufig die Vorreiter in Sachen New Work – wir haben es bislang aber offensichtlich versäumt, das entsprechend zu kommunizieren.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass man als Arbeitgeber nicht auf jede Forderung der Arbeitnehmer:innen eingehen sollte. Wichtig war und ist allerdings, dass wir uns mit den neuen Anforderungen und Möglichkeiten auseinandersetzen, im Idealfall sogar immer einen Schritt voraus sind.

Culture eats Salary for Breakfast

Nicht zuletzt auch, weil die oben genannten Faktoren längst nicht mehr nur Berufseinsteiger:innen betreffen. Auch langjährige Beschäftigte betrachten ihren Arbeitgeber seit der Coronapandemie unter anderen Gesichtspunkten und haben ihre Ansprüche evaluiert. Laut Gartner hinterfragen 65 Prozent der Arbeitnehmer:innen den Stellenwert ihres Jobs im Leben und 52 Prozent stellen den Sinn ihrer täglichen Arbeit in Frage. Seitdem viele Mitarbeiter:innen in den Genuss von Home Office oder Remote Work gekommen sind, würden sich 43 Prozent nach einem neuen Arbeitgeber umsehen, wenn sie heute wieder vollständig im Büro arbeiten müssten. Das zeigt, dass Mitarbeiter:innen nicht mehr nur als Ressource, sondern als Person wahrgenommen werden möchten.

Eine weitere aktuelle Umfrage auf Docplayer schlägt in die gleiche Kerbe: Die mit Abstand wichtigsten Aspekte bei der Wahl eines Arbeitsplatzes sind eine sichere Anstellung (56,5 Prozent) – hier zeigt sich das Gefühl der allgemeinen Unsicherheit durch die Krisen in den letzten Jahren – sowie ein gutes Arbeitsklima (49,6 Prozent). Ein überdurchschnittliches Gehalt und Aufstiegschancen reihen sich hingegen mit 17,6 und 3,4 Prozent eher auf den hinteren Plätzen ein.

Mitarbeiter:innen bewerben sich bei Unternehmen, kündigen aber dem Chef
Schild mit Awesome and less awesome

Regelmäßige Feedbacks sind entscheidend für ein gesundes Betriebsklima.

Recruiting ist nur die eine Seite der Medaille. Mindestens genauso wichtig ist das Thema Mitarbeiterbindung – vor allem in Zeiten der „Great Resignation“. Ein Blick auf die häufigsten Kündigungsgründe ist hier sehr erhellend. Laut einer aktuellen Untersuchung von Personio sind das auf Platz eins ein stressiges Arbeitsumfeld (32 Prozent), gefolgt von mangelnder Wertschätzung (31 Prozent) und fehlender Perspektive (30 Prozent). Das sind in erster Linie Führungsthemen. Schön und gut, aber was macht eine gute Führungskraft aus? Ich sehe das wie Gary Vaynerchuck (amerikanischer Multiunternehmer, Autor, Influencer, Sprecher): „The secret to being a good leader is to actually care about your employees.”

Diese These bestätigt auch die Studie „Communication Spirit 2023“, in der die School for Communication and Management (SCM) im Auftrag der Recruiting-Experten von Stell-Mich-Ein“ untersucht haben, was Arbeitnehmer:innen sich heute von einem Job in der Kommunikationsbranche erwarten.Ebenfalls finden sich Spaß und Selbstverwirklichung (61,1 Prozent), flache Hierarchien (53,9 Prozent) und sinnstiftende Arbeit (53,9 Prozent) weit oben im Ranking. Arbeiten aus dem Ausland schneidet dagegen mit nur 22,6 Prozent ab.

Kommunikation darf keine Einbahnstraße sein

Das Zitat „Take care of your employees and they’ll take care of your business“ von Richard Branson (britischer Unternehmer und Gründer der Virgin Group) finde ich sehr treffend. Schließlich bin ich davon überzeugt, dass unsere Mitarbeiter:innen unser wichtigstes Asset sind. Schön und gut, aber wie füllen wir das mit Leben? Da gibt es sicherlich verschiedene Wege – wir arbeiten beispielsweise seit einigen Jahren mit einer Personalentwicklerin zusammen und haben gemeinsam mit ihr unter anderem Teamworkshops durchgeführt, Führungskräfte entwickelt sowie eine funktionierende Kommunikationsstruktur geschaffen, die uns hilft, viele der oben genannten Aspekte zu optimieren und eine offene Feedbackkultur zu etablieren. Ein kleines Rädchen mit großer Wirkung war dabei die Einführung von sogenannten Quartalsgesprächen. Das sind kurze Check-ins, bei denen die Mitarbeiter:innen den Führungskräften Feedback geben. Das ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil Kommunikation keine Einbahnstraße sein darf.

Mitarbeiterzufriedenheit großschreiben
Laptop und Tasse auf einem Tisch am Meer.

Ein hybrides Arbeitszeitmodell sorgt für Flexibilität und Freiraum.

Regelmäßiger Austausch auf Augenhöhe ist ein notwendiges, aber kein hinreichendes Merkmal für ein gesundes Betriebsklima. Daher ist für mich eine gesunde Work-Life-Balance mindestens genauso entscheidend. Ein hybrides Arbeitszeitmodell sorgt einerseits für Flexibilität und Freiraum und schafft andererseits auch genügend Raum, um eine Bindung zu den Kolleg:innen und dem Arbeitgeber zu schaffen. Verbunden mit flexiblen Arbeitszeiten, ermöglicht es den Mitarbeiter:innen, wichtige Termine auch am Morgen oder in der Mittagszeit wahrzunehmen. Denn am Abend Zeit für sich oder die Familie zu haben, darf kein Luxus, sondern sollte selbstverständlich sein.

Ein Obstkorb macht noch keinen Sommer! Oder wie war das noch mal?

Wir können doch einfach einen Obstkorb und hybride Arbeitsmodelle anbieten und dann läuft es wieder, oder? Klar, es wäre schön, wenn die Welt so einfach wäre. Leider ist es – wie so oft im Leben – ein ganz klein wenig komplexer. Zugegeben, auch wir bieten unseren Mitarbeiter:innen frisches Obst an. Darüber hinaus gibt es aber auch viele weitere „Feel-Good-Angebote“, wie Snacks und Getränke for free, höhenverstellbare Schreibtische und auf Wunsch Sonderausstattungen wie beispielsweise ergonomische Mäuse, Tastaturen oder auch Gymnastikbälle. Es geht aber nicht nur um körperliche Gesundheit – „Mental Health“ darf heute kein Tabu-Thema mehr sein. Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass jeder von uns mit Herausforderungen zu kämpfen hat, die uns mal mehr, mal weniger stark beschäftigen – und dabei geht es nicht nur um die Arbeit, sondern auch private Themen. Damit umzugehen und trotzdem mal abzuschalten, müssen die meisten erst lernen. Hier gibt es auch schon tolle Angebote wie die Plattform NiloHealth. Über diese können sich Mitarbeiter:innen mit anderen unternehmensübergreifend austauschen, bekommen praktische Tipps und Übungen an die Hand und haben sogar die Möglichkeit, sich in 1:1-Sessions von erfahrenen Psycholog:innen coachen zu lassen. Komplett anonym, versteht sich.

Wir tun viel Gutes – lasst uns auch endlich darüber sprechen

Ich wollte damals unbedingt in der Agenturwelt Fuß fassen. Das habe ich auch geschafft und bis heute noch keinen Tag bereut. Ich bin überzeugt, dass wir bei akima – wie übrigens auch viele andere Agenturen – auch 2023 ein durchaus attraktives Arbeitsumfeld bieten. Wenn es uns als Branche nun noch gelingt, das entsprechend zu kommunizieren, werden wir auch wieder mehr Talente für die Agenturwelt begeistern. Denn eines ist für mich gewiss: ja, die Arbeit in einer Agentur ist mitunter ein hartes Brot – aber sie lohnt sich. Man lernt jeden Tag Neues, hat Kontakt zu so vielen spannenden Menschen und sofern die Arbeitsbedingungen stimmen, macht der Job riesig Spaß.

Wer jetzt neugierig geworden ist und einen neuen Job sucht, findet hier unsere offenen Stellen.

Volker Schmidt

Author Volker Schmidt

CEO von Akima Media. Leidenschaftlicher Fußballspieler, Kaffeeliebhaber und Hobbykoch. Hält es gerne mit den Worten von Richard Branson: "Take care of your employees and they will take care of your customers."

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